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Wenn’s doch nur so einfach wäre…

Ohne Anschluss keine Energiewende

Erneuerbare Energien boomen: 2024 wurden in Deutschland über 14 GW PV und 5 GW Wind zugebaut. Doch viele Anlagen können ihren Strom nicht einspeisen, weil der Netzanschluss fehlt.
Ein rechtliches und technisches Nadelöhr, das zunehmend über den Erfolg der Energiewende entscheidet.

Laut der Stiftung Umweltenergierecht sprechen Fachleute inzwischen von einem „Anschlussstau“ von rund 70 Gigawatt installierter Leistung – Projekte, die auf Einspeisung warten

Was das EEG 2025 wirklich fordert

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2025) regelt in §§ 7 bis 12 klar:

Betreiber von EE-Anlagen haben einen unverzüglichen und vorrangigen Anspruch auf Netzanschluss.

Das bedeutet:

  • Der Netzbetreiber muss eine Anlage anschließen, auch wenn das Netz ertüchtigt werden muss (§ 12 EEG 2025).
  • Eine Verweigerung ist nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig.
  • Netzanschluss und Netzzugang (die spätere Nutzung des Netzes) sind getrennte Rechte – das Netz folgt der Anlage, nicht umgekehrt.

Die Autoren Dr. Tobias Klarmann und Alina Anapyanova beschreiben den Netzanschlussanspruch als „zentrales Strukturelement“ des EEG – vergleichbar mit dem Einspeisevorrang oder der Förderung

Der Flaschenhals: Netzkapazität und Bürokratie

Das eigentliche Problem liegt nicht im Gesetz, sondern in der Umsetzung:
Netze sind überlastet, Genehmigungen dauern Jahre, und laut BNetzA wird der Ausbaubedarf im Verteilnetz bis 2045 auf über 650 Milliarden € geschätzt.

Während neue Anlagen täglich gemeldet werden, hinken Netzertüchtigungen hinterher.
Das Ergebnis: Anschlussverzögerungen und steigende Kosten.

Die BNetzA bestätigt, dass selbst eine teilweise Höherauslastung („NOVA-Prinzip“) oder Spitzenglättung (§ 11 Abs. 2 EnWG) nur begrenzt hilft. Der Engpass bleibt bestehen – besonders in Süddeutschland, wo viele Netze bereits am Limit laufen.

Flexible Netzanschlussvereinbarungen – Hoffnung oder Bürokratie 2.0?

Neu seit 2025: § 8a EEG 2025 erlaubt flexible Netzanschlussvereinbarungen.
Das heißt, Anlagenbetreiber können mit Netzbetreibern zeitlich gestaffelte oder teilweise Anschlüsse vereinbaren – etwa mit Leistungsbegrenzung oder späterer Aufschaltung.

Das Ziel:
Kapazitäten besser nutzen, Konflikte entschärfen, Projekte beschleunigen.

Die Stiftung Umweltenergierecht bewertet diese Vereinbarungen positiv – aber sie sind freiwillig, keine Pflicht. In der Praxis hängt ihr Erfolg also davon ab, ob Netzbetreiber und Projektierer tatsächlich kooperieren.

Das eigentliche Ziel: Planbarkeit und Investitionssicherheit

Für Projektentwickler, Investoren und Gemeinden bedeutet der Netzanschluss weit mehr als Technik:
Er entscheidet über Bankfähigkeit, EEG-Vergütung und Marktzugang.
Ohne klaren Anschlusspunkt keine Finanzierung, keine Auszahlung, kein Projekt.

Der Gesetzgeber wollte genau das verhindern – deshalb sind Netzanschluss und -zugang gesetzlich erzwungen und nicht verhandelbar.

Doch die Realität zeigt: Bürokratie, Fachkräftemangel und Netzausbauverzögerungen bremsen den Fortschritt.

Fazit: Das EEG liefert die Basis – jetzt braucht es Umsetzung

Das EEG 2025 setzt die richtigen Anreize, aber es stößt an physikalische und organisatorische Grenzen.
Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, muss der Netzanschluss zur Chefsache werden:

  • Digitalisierung der Netzanschlussverfahren
  • Koordination zwischen EVU, Kommunen und Entwicklern
  • Dezentrale Speicher als Netzpuffer
  • und vor allem: Verbindliche Fristen für Netzbetreiber

Nur so wird aus dem Rechtsanspruch auf Anschluss auch ein realer Zugang zur Energiewende.

Alle in diesem Beitrag dargestellten rechtlichen und strukturellen Informationen beruhen auf dem Würzburger Bericht Nr. 60 „Der rechtliche Rahmen des Netzanschlusses von Erneuerbare-Energien-Anlagen“ der Stiftung Umweltenergierecht (2025).

Stiftung Umweltenergierecht (Klarmann/Anapyanova, Der rechtliche Rahmen des Netzanschlusses von EE-Anlagen, Würzburger Berichte Nr. 60, 2025)

BNetzA (2025): Update Verteilernetze bis 2045

dena (2025): Verteilnetzstudie II

VDE (2024): Höherauslastung von Betriebsmitteln im Netz der Energiewende

Agora Energiewende (2024): Investitionen für ein klimaneutrales Deutschland

Beyond Fossil Fuels (2025): How Europe’s Grid Operators are Preparing for the Energy Transition